Das Recht auf Faulheit by Paul Lafargue

Das Recht auf Faulheit by Paul Lafargue

Autor:Paul Lafargue [Lafargue, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Matthes u Seitz
veröffentlicht: 2013-09-14T22:00:00+00:00


KAPITEL IV

Ein neues Lied, ein besseres Lied

Wenn man durch die Verkürzung der Arbeitszeit neue mechanische Kräfte für die gesellschaftliche Produktion gewinnt, so wird man eine gewaltige Armee von Arbeitskräften gewinnen, wenn man die Arbeiter verpflichtet, ihre Produkte auch zu konsumieren. Die dann von ihrer Aufgabe, Alleinverbraucher zu sein, entlastete Bourgeoisie wird nämlich schleunigst die Menge von Soldaten, Beamten, Haarkünstlern, Kupplern usw., die sie der nützlichen Arbeit entzogen hatte, damit sie ihr beim Konsumieren und Vergeuden helfen, entlassen. Infolgedessen wird der Arbeitsmarkt so überfüllt sein, dass man ein eisernes Gesetz haben muss, das die Arbeit verbietet: Es wird unmöglich sein, für diesen Schwarm bisher unproduktiver Menschen, die zahlreicher als Heuschrecken sind, eine Beschäftigung zu finden. Dann muss man an all die denken, die für die nichtsnutzigen und kostspieligen Bedürfnisse und Neigungen dieser Leute aufzukommen hatten. Sind keine Lakaien und Generäle mehr mit Tressen zu schmücken, keine ledigen oder verheirateten Prostituierten mehr in Spitzen zu hüllen, keine Kanonen mehr zu gießen und keine Paläste mehr einzurichten, muss man mit drakonischen Gesetzen die Posamentier-, Spitzen-, Eisen- und Bauarbeiter und -arbeiterinnen zu hygienischem Rudersport und Tanzübungen anhalten, um ihr Wohlbefinden wiederherzustellen und das Menschengeschlecht zu vervollkommnen. Von dem Augenblick an, wenn die europäischen Produkte am Ort verbraucht und nicht mehr zum Teufel geschickt werden, müssen auch die Seeleute, die Streckenarbeiter und die Fuhrleute sich hinsetzen und Däumchen drehen lernen. Dann können sich die glücklichen Südseeinsulaner der freien Liebe hingeben, ohne die Fußtritte der zivilisierten Venus und die europäischen Moralpredigten fürchten zu müssen.

Noch mehr. Um für alle Nichtsnutze der heutigen Gesellschaft Arbeit zu finden und die immer weitere Vervollkommnung der industriellen Arbeitsmittel zu fördern, muss die Arbeiterklasse ihrem Hang zur Enthaltsamkeit, gleich der Bourgeoisie, Gewalt antun und ihre Konsumfähigkeiten unbegrenzt steigern. Anstatt täglich ein oder zwei Unzen zähes Fleisch zu essen, wenn sie überhaupt welches isst, wird sie sich saftige Beefsteaks von ein oder zwei Pfund schmecken lassen; statt bescheiden und katholischer als der Papst einen schlechten Wein zu trinken, wird sie aus großen, randvollen Gläsern Bordeaux und Burgunder schlürfen, die keiner industriellen Taufe unterzogen sind, und das Wasser dem Vieh überlassen.

Die Proletarier haben es sich in den Kopf gesetzt, den Kapitalisten zehn Stunden Schmiede- oder Raffineriearbeit aufzuzwingen – das ist der große Fehler, die Ursache der sozialen Gegensätze und Bürgerkriege. Nicht aufzwingen, verbieten muss man die Arbeit. Den Rothschilds, den Says55 wird erlaubt sein, den Beweis zu liefern, dass sie ihr ganzes Leben lang vollkommene Nichtstuer gewesen sind; und wenn sie schwören, trotz der allgemeinen Arbeitsbegeisterung als vollkommene Nichtstuer weiterzuleben, werden sie registriert und erhalten jeden Morgen auf dem zuständigen Rathaus ein zwanzig-Francs-Stück als Taschengeld. Die gesellschaftliche Zwietracht verschwindet. Die Rentiers und die Kapitalisten werden die Allerersten sein, die sich zur Partei des Volkes schlagen, wenn sie einmal überzeugt sind, dass man ihnen nichts Böses will, sondern sie im Gegenteil von der Arbeit befreien möchte, Überkonsument und Vergeuder zu sein, mit der sie seit ihrer Geburt belastet sind. Diejenigen Bourgeois, die nicht in der Lage sind, ihre Qualifikation als Nichtsnutz nachzuweisen, wird man ihren



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